Rockharz Open Air 2022
Auf dem nördlichen Harze, zwischen Blankenburg und Quedlinburg, siehet man südwärts vom Dorfe Thale eine Felsenfläche, die das Volk „des Teufels Tanzplatz“ nennt und nicht weit davon Trümmer einer alten Mauer, denen gegenüber nordwärts vom Dorfe sich ein großes Felsenriff erhebt. Jene Trümmer und dieses Riff nennt das Volk „Teufelsmauer“. (Auszug Wikipedia)„Des Teufels Tanzplatz“ ist der perfekte Begriff für das Rockharz Open Air, das dieses Jahr vom 06.-09.Juli an der Harzer Teufelsmauer im Ballenstedter Ortsteil Asmusstedt stattfand. Am Fuße des großen Gegensteines trafen sich 22.000 Rock- und Metalfans auf dem Acker am Flugplatz. Der Campground wurde im Gegensatz zu den Vorjahren erweitert, das ist aber nur die logische Konsequenz aus der höheren Anzahl an Ticketverkäufen und der zu erwartenden Campingausrüstung der Festivalteilnehmer. Während der letzten 2 Jahre boomte der Markt mit Campingartikeln, eigentlich könnte man auf dem Campground auch eine Messe für Camping stattfinden lassen. Aber das Hauptthema war natürlich Livemusik, feiern und Spaß haben.
Eine richtig coole Aktion haben sich übrigens Schüler des örtlichen Gymnasiums in Bezug auf Nachhaltigkeit einfallen lassen. Sie sammelten nach Ende des Festivals übrig gebliebene Utensilien wie Decken und Schlafsäcke und übergaben diese dem Tierschutzverein Quedlinburg. Die Festivalteilnehmer begeisterte das Vorhaben so sehr, dass zusätzlich 450€ als Spendensumme übergeben werden konnten. Tolle Idee!
Selbstverständlich wurde auch die Aktion „Glück in Dosen“ wieder durchgeführt. Ehrenamtliche Helfer sammeln über die Festivalzeit Pfanddosen- und –flaschen vom Gelände und mit dem Erlös werden regionale Projekte im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit gefördert. In den vergangenen Jahren konnte bereits eine Spendensumme von über 100.000€ generiert werden.
Angefangen hat das Festival eigentlich ja erst am Mittwoch um 15:45 Uhr mit Mutz & the Blackeyed Banditz, allerdings haben gefühlt ¾ der Festivalteilnehmer die Dienstagsanreise mit 10€ Zusatzkosten gewählt. Nach zwei Jahren Pause war die Vorfreude auf das RHZ von Seiten der Fans unbändig, leider wurde somit der Anreisestau gefühlt nur auf den Dienstag verschoben, obwohl die frühzeitige Dienstagsanreise alles entzerren sollte. Dafür war unsere Anreise am Mittwochmittag völlig unproblematisch und wir konnten ohne wirkliche Wartezeit auf das Gelände fahren. Generell lohnt es sich natürlich in allen Bereichen auf andere Zeiten auszuweichen um alles entspannter anzugehen. Im Programmheft des Rockharz wurde zum Beispiel die Duschampel vorgestellt. Es ist natürlich keine Überraschung, dass die Duschen zu verschiedenen Tageszeiten unterschiedliche Auslastungen aufweisen. Eine Änderung zu den Vorjahren war das Duschzelt, manchmal war das Wasser etwas sehr erfrischend, manchmal ein bisschen sehr wärmend, wenn man sich allerdings in den Duschkabinen mit seinen Klamotten arrangiert hat, war alles okay.
Das Infield war wieder ähnlich wie in den Vorjahren aufgebaut. Es gab alle möglichen Essensstände, angefangen von "Brathahn statt Satan", Pizza, Flammkuchen, Nudelgerichte, asiatisches Essen, Burger, Pommes, Crepes, Eis und noch einiges mehr, natürlich fehlten auch die klassischen Festival-Nonfoodstände nicht. Der große Biergarten war meistens sehr gut besucht und vor dem angrenzenden Merchstand bildeten sich in beide Verkaufsrichtungen (eine Neuheit beim diesjährigen RHZ) lange Schlangen.
Das wirklich Tolle am Rockharz ist das Konzept mit zwei gleichwertigen Bühnen (Rockstage / Darkstage). Hierdurch gibt es keine Überschneidung von Bands und die Menschenmenge muss sich nur um ein paar Meter auf dem Infield nach rechts, bzw. nach links verschieben.
Für viele Fans fühlt sich das Rockharz wie ein Zuhause an und es ist dadurch einfach extrem familiär.
Dieses Jahr ist es übrigens vielen Fans aufgefallen, dass alle sehr zivilisiert waren, das Gelände war sehr sauber, auf dem Campground war es nachts erstaunlich ruhig, es gab kaum sichtbare Alkoholausfälle, der Becherpfand auf dem Infield kam auch sehr gut an. Kaum jemand warf seine Becher unbedarft weg und wenn es doch mal passierte, wurden diese schnell eingesammelt und zum nächsten Getränkestand gebracht. Woran das lag? Wer weiß, vielleicht an den Auswirkungen vom Coronafestivalentzug, oder vielleicht auch an dem gefühlt leicht gestiegenen Durchschnittsalter der Besucher, aber das ist eventuell nur eine subjektive Wahrnehmung.
Am Mittwoch, den 6.Juli, startete ab 15:45 Uhr das diesjährige Rockharz mit Mutz & the Blackeyed Banditz auf der Rockstage, gefolgt vom Auftritt von Sibiir, Twilight Force, Evil Invaders, Agnostic Front, Grave Digger, Beast in Black, Kataklysm, Tarja, Sepultura und zum Schluss In Extremo.
An den anfänglichen Tonproblemen, die vor allem die Rockstage betrafen, wurde fleißig gearbeitet. Die Bedingungen vor Ort waren aber auch nicht einfach, über die gesamte Veranstaltungszeit wehte ein ordentlicher Wind über den Platz, am Donnerstag noch durch leichten Nieselregen begleitet.
Mit In Extremo war die vermeintlich kommerziell erfolgreichste Band des Genres zu Gast in Ballenstedt. Mit ihrem zuletzt veröffentlichten Album „Kompass zur Sonne“ erschien das mittlerweile 13. Studioalbum der Berliner Band. Seit mittlerweile 27 Jahren gehören die Musiker rings um Michael Robert Rhein, alias „Das letzte Einhorn“ zur Speerspitze der deutschen Rockmusik und bestreiten im nächsten Jahr vom 22. Februar – 12. März ihre Europatour (DK, NL, BE, UK, FR, ES, LU, IT, HU, CZ). Nach dem Song „Feuertaufe“ und einem kleinen Geburtstagsständchen für Dr. Pymonte wurden noch unter anderem „Vollmond“, „Kompass zur Sonne“, „Unsichtbar“, „Quid pro Quo“ und passend zur aktuellen Situation „Lieb Vaterland, magst ruhig sein“ gespielt. Dieser Song wird wohl leider auf ewig aktuell bleiben. Weiter ging es mit etwas Erfreulicherem und einige Rockharzler nahmen den Songtitel auch sehr wörtlich :-), „Sternhagelvoll“, gefolgt von „Störtebeker“ und „Spielmannsfluch“. Nach etwas mehr als einer Stunde war der Auftritt von In Extremo vorbei und somit auch der erste Festivaltag des RHZ.
Am 07.Juli (Donnerstag) öffnete das Infield schon früher als am Vortag und somit begann ab 13:05 Uhr mit Enemy Inside die erste von insgesamt 13 Bands. Die nächsten Timeslots wurden durch Gernotshagen, Asenblut, Hammer King, Scar Symmetry, Unzucht / Der Schulz, Dark Funeral, Goitzsche Front, Thundermother, Dark Tranquillity, Subway to Sally, Powerwolf und Knasterbart belegt. Leider war eigentlich den kompletten Tag über das Wetter undankbar und bescherte uns steten Wind mit feinem Regen, aber auch das konnte die Menge nicht vom Feiern abhalten.
Der Auftritt der Unzucht wurde durch eine kurzfristige Coronainfektion des Schlagzeugers Toby torpediert, stattdessen wurde schnell umgeplant und Der Schulz trat mit seinem Soloprojekt auf der Rockstage auf. Chapeau! Auch für einen geübten Musiker ist es sicherlich fordernd, mal kurz eine 50-minütige Show auf die Beine zu stellen.
Im Verlauf des Abends traten die Männer von Goitzsche Front mit ihrem Deutschrock auf. Verschiedene Genres machen ein Festival erst abwechslungsreich und für die breite Masse interessanter. „Wir sind aus Gold“, „Die Goitzsche brennt“, „Deines Glückes Schmied“, „Alte Härte, alter Glanz“, „Pfeffi“, „Männer aus Stahl“, „Vier Asse“, „Streichholz und Benzin“ waren einige gespielte Songs. Es lief nicht alles glatt, nach dem üblichen Umwerfen des Mikroständers rollte dieser von der Bühne, zum Glück endete das Ausrutschen des Gitarristen anders und er blieb oben. Als Abschluss eines wirklich guten Auftritts kam noch die Ballade „Der Osten rockt!!!“, hierbei wurde lautstark von den Fans vor der Bühne mitgesungen. Die Goitzsche Front hat ihren Auftrag erkannt und konnte in voller Linie überzeugen. Sie sind auf die Fans eingegangen und kamen einem wie Lokalmatadoren vor, dafür beschenkten die Fans sie mit einem ausgiebigen Pogo und guter Laune.
Der Abend ging für uns mit Subway to Sally weiter. Jeder kennt wahrscheinlich Subway, sie haben eine über 30-jährige Bandgeschichte hinter sich und mit „Hey!“ erschien kurz vor Corona ihr 13. Studioalbum. Mit ihren echten Mittelalter-Melodien weisen sie aber auch auf Probleme unserer Neuzeit hin, vor allem geht es im letzten Album um unseren Umgang mit dem Planeten, der unser Zuhause ist. Natürlich werden bei einem solchen Auftritt auf einem Festival eher die Klassiker gespielt, die Festivalsaison dient ja nicht direkt als Tour um ein neues Album zu promoten. Aber mit „Messias“, „Ausgeträumt“ und „Alles was das Herz will“, der ein Teil des Triptychon der neuen Platte ist, kamen auch die neuesten Stücke nicht zu kurz. Die eben erwähnten Klassiker kann man unter anderem mit „Kleid aus Rosen“, „Eisblumen“, „falscher Heiland“, „Besser du Rennst“, „Sieben“, „Tanz auf dem Vulkan“ und „Wenn wir tanzen!“ abhaken.
Weiter im Programm ging es mit dem absoluten Headliner des Festivals und der heiligen HeavyMetalMesse von Powerwolf. Die 2003 in Saarbrücken gegründete Band hat mittlerweile 8 Alben herausgebracht, die im Schnitt alle 2-3 Jahre veröffentlicht wurden, erst im letzten Jahr erschien „Call of the Wind“. Der Auftritt auf dem Rockharz war im wahrsten Sinne des Wortes ziemlich feurig. Die Großen Flammen in Front der Bühne wurden durch den starken Wind in Richtung Band getrieben und so musste das ein oder andere Ausweichmanöver gezeigt werden. Die Situationen waren manchmal schon etwas heikel, aber bis auf eine GoPro sind alle unbeschadet geblieben. Der später gespielte Song „Faster than the Flame“ konnte also auch wörtlich genommen werden.
Teil der großartigen Show waren unter anderem „The Sacrament of Sin“, „Army of the Night“ und „Stossgebet“. Ein mächtiges Heulen ging durch die Menschenmenge und die Klänge von „Beast Of Gévaudan“ ertönten, gefolgt von „Demons Are A Girl's Best Friend“, „Werewolves of Armenia“, „Resurrection By Erection“, „Blood for Blood“ oder „Saturday Satan“. Vertreter vom neuesten Album waren auch in der Setliste, beispielsweise „Dancing with the Dead“.
Als Rausschmeißer des Abends machte sich die Bande rings um Fummelfips und Hotze ganz gut. Knasterbart lehrte die Gossengenossen und die Gossengirls mit ihrem süffisanten Folkrock das Gossenabitur. Leider befindet sich Knasterbart in der Endphase ihrer Bandgeschichte und mit ihrer Abschiedstour im Frühjahr 2023 endet das Kapitel rings um die Bande mit ihren Räuberhüten.
16 Bands standen auf der Runningorder für den vorletzten Tag (Freitag). Burden of Grief, Kambrium, Attic, Paddy and the Rats, Ost+Front, Lucifer, Moonsorrow, Deserted Fear, Jinjer, Finntroll, At the Gates, Ensiferum, Steel Panther, ASP, Running Wild, The 69 eyes.
In ihrem 45minütigen Slot spielte die ungarische Celtic-Punk-Band Paddy and the Rats unter anderem ihren neuen Song "Matadora", gefolgt von "Freedom" und "The Captain´s Dead". Eine schwierige Zeit liegt hinter der Band. Zum Jahreswechsel verstarb mit Bernie Bellamy der Akkordeonspieler der Band, zu seinen Ehren wurde die erste Singleauskopplung „After the Rain“ des neuen Albums ihm gewidmet.
Unser nächstes Highlight im Programm war mit Ost+Front ein Vertreter der schwarzen Szene. Mit ihrem martialisch anmutenden Auftreten und den harten Klängen erkennt man sehr schnell den Einfluss des Vorbildes Rammstein. Ost + Front bot eine tolle Bühnenshow unter anderem mit „Fiesta de sexo“, „Fleisch“, „Freundschaft“, „Honka, Honka“ und „Bitte schlag mich!“.
Am Samstag, den 09.Juli, begann der letzte Festivaltag mit Storm Seeker, Thomsen und Obscurity, bevor uns mit April Art eine deutsche Alternative-Rock-Band aus Gießen beeindruckt hat. Wer die Band einmal live erleben möchte hat im Oktober die Chance, dann findet nämlich eine kleine Tour für das 2. Album statt. Auf dem Rockharz wurde mit "Pokerface" die erste Singleauskopplung des neuen Albums gespielt. Auch ein sehr cooler Song ist „Break the silence“, der in Kooperation mit #AlarmstufeRot entstanden ist. Klare Empfehlung, wenn man eine charismatische, energiegeladene Rockband sehen will.
Weiter ging es mit Ad Infinitum, Ektomorf, Tankard, Unleashed und Insomnium, bevor der Vertreter der Punkrock-Szene die Bühne betrat. Hierbei handelte es sich um die Rheinbergische Band Betontod. 7 Alben und über 30jährige Bandgeschichte waren natürlich ein Grund zum Feiern, unter anderem zu „Keine Popsongs“, „Kinder des Zorns“, „Hals-Maul-Arsch-Gesicht“, „Wir müssen aufhörn weniger zu trinken“, „Viva Punk!“, „Küss mich“, „Mein letzter Tag“, „Bambule & Randale“ und „Traum von Freiheit“. Auch hier schoben sich zahlreiche Crowdsurfer nach vorne in Richtung Graben, darunter auch ein Paar, bei denen die Frau stehend auf ihrem Begleiter über die Menge surfte.
Die nächsten zwei Slots wurden von Exodus und Testament bestritten.
Den nächsten Auftritt bestritt der absolute Spitzenreiter in Bezug auf die Anzahl der Auftritte beim Rockharz Open Air. Schon zum insgesamt 8. Mal (2003, 2006, 2008, 2012, 2014, 2016, 2018, 2022) feierte Deutschlands meiste Band der Welt „Knorkator“ in Ballenstedt mit den Rockharzlern. Wieder einmal bewiesen sie sich als die Könige der Crowdsurfer, spätestens jetzt hatten die Grabenschlampen (Security im Graben) richtig viel zu tun. Eine recht große Bühnenzeit und somit Aufmerksamkeit bekam Stumpen´s Tochter Agnetha, die vor allem in der zweiten Hälfte des Auftrittes mit der Band zusammen performte. Ab Oktober geht es für Knorkator wieder auf große Tour.
Nun standen nur noch die letzten drei Bands des Wochenendes an, Eisbrecher, Accept und Eluveitie.
Eisbrecher zogen ihre Show souverän durch und übergaben an Accept, eine Metalband, die zahlreiche andere Bands in ihrer Entwicklung prägte. Kaum eine andere Band hat wohl 4 Gründungsjahre in ihrer Vita stehen, allerdings besteht wohl auch kaum eine andere Band seit Anfang der 70er Jahre. Last but not least spielten die neun Mitglieder der Folk-Metal-Band Eluveitie ihre Songs auf dem Flugplatz Ballenstedt. Die Fans genossen jeden Song und feierten bevor mit dem letzten Ton der Flugplatz und der Campground wieder an die Wühlmäuse von Ballenstedt übergeben werden konnte.
Sehr emotional war die Ansprache von den Organisatoren und Helfern des Rockharz Open Air zwischen den Auftritten von Eisbrecher und Accept. Sie erklärten wie die letzten 3 Jahre für sie verliefen und was Corona mit all den Planungen machte. Insgesamt haben über 400 Personen für den reibungslosen Ablauf des Festivals gearbeitet.
Auch wir sagen „Danke“ an die ganze Rockharz Open Air- Familie, ein riesiger Dank geht natürlich auch an alle Kräfte der örtlichen Feuerwehr und des Malteser Hilfsdienstes, die hunderte Dienststunden auf dem Gelände abgeleistet haben, zur Wahrung des Brandschutzes und des Sanitätsdienstes.
Es war ein tolles Fest unter Gleichgesinnten und wir freuen uns schon voller Vorfreude auf die Jubiläumsausgabe zum 30jährigen Bestehen des Rockharz Open Air im nächsten Jahr vom 05.-08. Juli 2023.
Fotos vom Rockharz Open Air 2022 findet ihr hier in unserer Galerie.
See you at the Devil´s Wall!
Bilder: Jerome Jakob
Text: Maren Jakob
Veröffentlicht: 14.07.2022