Paddy Rock Openair 2023

Unser letztes Festival in diesem Jahr führte uns vom 24. - 26. August zum Jugendzeltplatz Alpha One nach Halvestorf. Das Paddy Rock hat über die letzten Jahre leider noch nicht seinen Platz gefunden und musste immer wieder nach neuen Locations suchen. Diese Suche gestaltet sich natürlich nicht leicht, schließlich plant man über ein solches Festivalwochenende mit einigen tausend Besuchern.
Uns hat das Gelände und der Aufbau vom Campground und Infield wirklich gut gefallen und es wäre schade, wenn Organisatoren mit einer so schönen Veranstaltung in andere Gemeinden umziehen müssten, nur wegen hoher Auflagen von Seiten der Stadt. Mit dem Paddy Rock wird der Hamelner Veranstaltungskalender kulturell und künstlerisch deutlich vielfältiger aufgestellt.
An dem Wochenende wurde den Besuchern durch das Line-Up eine bunte Mischung aus Metal, Punk, Ska und Folk geboten, so unterschiedlich die Musikrichtungen auf der Bühne waren, so unterschiedlich zeigten sich auch die Fans vor dem Bühnengraben. 

Den Opener machten Rice of Jesus, gefolgt von Andre Sinner und Die Dorks. Die Dorks bestehen aus Lizal Dork, Mark von Elend und Bons Dork und beschreiben ihre Musikrichtung als Erklärung für die Presse wie folgt: Wenn man wie keine andere Band klingt, ist es immer eine Herausforderung, eine Musikrichtung für Presse, Bandinfo und Veranstalter*innen zu definieren. DIE DORKS sind zu räudig für Metal, zu melodisch für Hardcore, zu wenig 90er für Crossover, zu anspruchsvoll für Deutschpunk. Okay, also irgendetwas dazwischen und nicht vergleichbar mit anderen Bands und Musikrichtungen, sie machen einfach das was ihnen gerade einfällt und machen sich keine Gedanken darüber, ob man das jetzt in einer gewissen Musikrichtung machen darf oder nicht. Ihr aktuellstes Album Geschäftsmodell Hass wird in diesem September unter dem Label DEMONS RUN AMOK ENTERTAINMENT veröffentlicht. Auf dem Paddy Rock gab es unter anderem mit Wir sind nicht das Volk einen Vorgeschmack hierauf. Bei ihrem Auftritt in Halvestorf bekam man einen guten Einblick in die knapp 15jährige Geschichte der Band, die das gesamte Konzert der Oma von Sängerin Lisa widmeten, da diese am vergangenen Wochenende verstarb.


Als nächstes spielten Kilkenny Bastards auf der kleineren der zwei Bühnen. Mit ihrem Irish-Folk verwandelten sie das Infield im Weserbergland in einen irischen Pub. Bei Irish Folk denkt man auch immer sofort an Kilts, Whiskey, Holzverkleidete Theken, Barhocker und Musik zum Mitfeiern. Bis jetzt habe ich mir nie Gedanken um die Schottenröcke gemacht, aber wusstet ihr, dass die Kilts, beziehungsweise Tartans in der Irischen Traditon noch gar nicht so lange vorkommen? Wenn von irischen Tartans nach Nachnamen oder irischen County-Tartans, also irischen Kilts nach Grafschaften wie County Cork, County Leitrim, County Limerick, County Monaghan, County Sligo, County Waterford oder County Westmeath die Rede ist, handelt es sich meist um eine Erfindung cleverer Geschäftsleute. All diese modernen Kilts können zwischen den 1960er Jahren und bis heute datiert werden. Der irische Kilt ist meist einfarbig, in den Farbtönen safran oder grün. Das bedeutet jedoch nicht, dass einfarbige Kilts ihren Ursprung in Irland haben. Tatsächlich werden sie in Schottland getragen, seit es Kilts gibt, aber sie waren nie so beliebt wie ihr Gegenstück, dem Tartan (Schottenmuster). Eigentlich ist das eine Information die nicht unbedingt etwas mit dem Paddy Rock zu tun hat, bei der Recherche zu diesem Bericht bin ich nur an diesem Thema hängen geblieben und fand es sogar ganz spannend.
„Be a Bastard if you can!“ wurde von den Fans vor der Bühne der Band zu dem Song Be a Bastard im Refrain lautstark entgegengerufen. Ein toller Auftritt einer authentischen Band und genau das Genre spiegelt doch die Wurzeln des Paddy Rocks wider, die Fans feierten und hüpften, tranken Bier und hatten einfach Spaß mit der Band aus Iserlohn.
Auf kleineren Festivals ist das tolle, dass man immer wieder Musiker, die eben noch auf der Bühne standen, auf dem Infield sieht, wie sie ihre Kollegen unterstützen, mit den Fans feiern und reden und im Notfall vielleicht sogar zusätzlich mit Instrumenten und Musikern auf der Bühne aushelfen.

Heroes 2 None folgten auf Bühne 1 mit ihrer Mischung aus Streetpunk und Oi! aus Dänemark. Die Bandmitglieder haben eine Menge Erfahrung in verschiedenen Bands wie The Zero Point, War Of Destruction, Skaloot, The Hoolies, The Guv'nors, The Outfit & Last Seen Laughing in den letzten 40 Jahren gesammelt.

Die nächste Band, die auf dem Gelände Alpha One auftreten durfte, war Lankester Merrin. Erst vor 4 Jahren gegründet, hat sich die Melodic-Metal-Band sehr schnell in die Position gebracht, ein ernsthaftes Schwergewicht im Bereich female fronted Melodic/Power Metal aufzusteigen. Mit Sängerin Cat Rogers steht in Front eine Sängerin mit klarer Stimme, begleitet von ihren Bandkollegen Florian Schulz (Gitarre), Jan-Philipp Merten (Bass), Shawn Layer (Drums) und Chris Müller (Gitarre). Morgens noch ihren Jobs, unter anderem im Klassenzimmer, nachgegangen, folgte am Nachmittag eine hervorragende Show, unter anderem mit den Songs Stranger, Bone Thomahawk, Perfect Illusion und Sweet Lizzie vom neuesten Album Dark mother rises. Vom Vorgänger-Album Upon the Forgotten spielten die Musiker, der in Hildesheim gegründeten Band, unter anderem Dagons Kingdom. Zur richtigen Zeit, am richtigen Ort, mit den richtigen Bekanntschaften, hat die Band das Potential ganz schnell auf den großen Metalfestivals des Landes zu spielen, manchmal ist all das einfach nur eine reine Glückssache.

White Sparrows – die 4 Hessen stehen in allererster Linie für Punkrock mit sozialkritischen Themen und klarer politischer Haltung. Die Songs der Band werden vor allem durch Sänger Nico geschrieben und beruhen häufig auf erlebten Storys oder Ängsten von ihm persönlich oder seinen Bandkollegen. Das aktuellste Album „Zwischen Lieb, Hass & Suff“ entstand mitten in der Coronapandemie in absoluter Einzelarbeit, keine gemeinsame Zeit im Proberaum, sondern die ersten Parts (Drumms, Gitarre, Bass) wurden anfangs einzeln im Studio eingespielt, gemixt und erst dann kamen in einer einsamen Waldhütte, die zu einem Studio umgebaut wurde, die Vocals, Westerngitarre und Orgel hinzu. In Halvestorf musste die Band ihr Improvisationstalent unter Beweis stellen und die Ruhe bewahren, zuerst musste eine Bassgitarre vor Ort ausgeliehen werden und danach bekam der Sänger von seinem Mikrofon mehrfach eine gewischt, das Mikro wurde während eines Songs ausgetauscht, die Band spielte einfach weiter.

Kann ein Paddy Rock Openair eigentlich ohne The Mahones existieren und stattfinden? Ganz klar, nein. Auch in diesem Jahr waren The Mahones rings um Finny McConnell ein Teil des Line-Up´s auf dem Festival in Hameln-Pyrmont. Die über dreißig Jahre alte Band aus Kingston, Ontario (Kanada) wurde von Finny eigens für den St. Patricks Day 1990 als Bandprojekt gegründet und es war nicht geplant, dieses im Anschluss fortzuführen. Durch die positive Resonanz während und nach dem Auftritt entschloss sich McConnell, das Projekt dauerhaft weiterzuführen. The Mahones sind neben Dropkick Murphys und Floggin´Molly die wohl bekannteste Folk-Band aus Nordamerika.


Das Highlight des ersten Tages, und für viele des gesamten Festivals, war mit Sicherheit Torfrock. Helden unserer Kindheit und Jugend, war der einstimmige Tenor der Fans. Es gleicht einer Ehre die Band, die bereits 46 Jahre Bandgeschichte verzeichnen kann, noch einmal live gesehen zu haben. Klaus Büchner wird vermutlich mit seinen 75 Jahren nicht noch einmal 46 Jahre auf den Bühnen des Landes stehen. Klaus war ebenfalls damals Gründungsmitglied des Duo´s Klaus & Klaus, die mit an der Nordseeküste Berühmtheit erlangten. Selbst die größten Musikmuffel müssen doch auf Feiern bei den ersten Tönen des Songs mitschunkeln. 1997 stieg Klaus Büchner aus dem parallellaufenden Musikprojekt Klaus & Klaus zugunsten von Torfrock aus. In so vielen Jahren ist in Bezug auf die Bandbesetzungen einiges passiert und auch eine zwischenzeitliche Stilllegung der Band konnte Torfrock nicht viel anhaben, auf einen steten Wandel muss man durch Flexibilität reagieren können. 
Am 1. Paddy Rock Tag wurden ab 21:00 Uhr die ganzen Klassiker der Norddeutschen Band gespielt. Alle Songs wurden absolut textsicher von der Crowd mitgesungen, darunter natürlich selbstverständlich unter anderem Beinhart, Volle Granate, Renate, Presslufthammer B-B-Bernhard und Freie Bahn mit Marzipan!. Natürlich ist ein 1 ½ stündiger Headlinerslot kräftezehrend, Torfrock meisterten das aber gemeinsam mit einer Lockerheit und ihrer absolut sympathischen, norddeutschen Art mit Charme und dem typischen Witz ihrer Auftritte. Chapeau!!!


Mit einem Tag Pause ging es für uns am Samstag mit North Alone, Sonic Skies, The Fiddling Lads, Muirsheen Durkin, Venues und Mark Foggo weiter, bevor der Abend mit The Other, Grave Gigger, Excrementory Grindfuckers, Emscherkurve 77, Booze & Glory und Mike Tramp fast vollendet wurde. Als letztes folgte das Highlight des Festivals, als Headliner trat Doro, die Queen of Metal, auf dem Paddy Rock Openair auf dem Zeltplatz Alpha One in Halvestorf auf. Bereits am frühen Nachmittag durfte Doro Pesch sich in das goldene Buch der Stadt Hameln eintragen und bestaunte hierbei das schöne Buch, als gelernte Typographin wird sie sicherlich immer noch ein gewisses Interesse an Büchern und Schriften hegen.

The Fiddling Lads haben sich als Band erst vor kurzer Zeit zusammengefunden, sie sind aber alle keine Anfänger, viele Jahre Bühnenerfahrung liegen bereits hinter den Musikern. Ihr erstes Album Pub Time Stories mit 12 Songs wurde vor einem Jahr veröffentlicht und versetzte die Besucher auf dem Paddy Rock direkt auf die grüne Insel. Teile der Band sind ebenfalls Mitglieder der Band Bad Nenndorf Boys und wollten sich gerne in einem anderen musikalischen Bereich austoben, ihre gemeinsamen Interessen führten sie zum Folk. Ohne Frage passt Nicole Kaiser am Akkordeon sehr gut in die Band, nach ihrer jahrelangen Erfahrung in der Band The Mahones.   

Grave Digger – 22 Studioalben – 43 Jahre Bandgeschichte – von den ursprünglichen Gründungsmitgliedern ist nur Chris Boltendahl am Mikro übriggeblieben, ansonsten gab es unzählige Wechsel in der Bandbesetzung seit den 80ér Jahren. Bei so einer langen Historie ist das aber nicht verwunderlich und würde vielen Bands so gehen. Grave Digger gehört zur internationalen Metal-Szene, ihr Weg führt sie zum Beispiel im Januar 2024 mit 70000 Tons of Metal, einer Heavy-Metal-Kreuzfahrt fünf Tage und vier Nächte auf See von Miami, Florida nach Puerto Plata in die Dominikanische Republik. In dem beschaulichen Halvestorf haben Grave Digger ihre gewohnt souveräne Show gespielt mit vielen Klassikern der älteren und neueren Bandgeschichte.


Zur Abwechslung wechselten wir mit der nächsten Band in den Bereich Fun-Metal, bzw. Grindcore, die Rede ist natürlich von Excrementory Grindfuckers mit ihren Songs über wirklich wichtige Themen, zum Beispiel Hack halb & halb gemischt. Die Grindfuckers haben eine herrliche Selbstironie und machen unfassbar Spaß zu sehen und zu hören. Die Polonaise durch das Infield zu Vater Morgana endete mit den letzten Tönen des Songs in der Sackgasse vom Bühnengraben. Die Band ist schon auf den größten Festivals Deutschlands, darunter mehrere Male auf Wacken und dem Summer Breeze, aufgetreten.


Eine weitere Band zählt fast als Urgestein des Paddy Rock. Emscherkurve 77 war schon häufig mit ihrem Punkrock Gast in der niedersächsischen Rattenfängerstadt an der Weser. Die Punkrock-Macht aus Oberhausen wurde im Jahr 2000 gegründet. In ihren Songs geht es um Spaß, Lebensfreude, Fußball und das Leben im Ruhrgebiet. Sie sind großer Fan des SC Rot-Weiß Oberhausen, der die letzten Jahre in der Regionalliga West seine Spiele bestreitet. Hierfür haben sie auch den Einlaufsong und weitere Songs eingespielt. Auf politische Themen in Ihren Songs verzichten EK77 im Allgemeinen.


Booze & Glory ist eine Londoner Oi!-Punk-Band mit polnischen Wurzeln.
Inhaltlich bedient man in den Songs die komplette Palette britischer Themen, von Working Class über Alkoholkonsum bis hin zur Selbstbeschreibung der Londoner Skinhead-Szene. Die Texte drücken einen gewissen Patriotismus gegenüber England, Stolz auf London und ihren Fußballverein West Ham United aus. Die Band legt jedoch Wert darauf, aus verschiedenen Nationalitäten zu bestehen und positioniert sich klar gegen die rechte Skinhead-Szene. Mit Hurricane erschien im Jahr 2019 ihr 5. Album. Mit The Streets i call my own, Carry on, Cést la vie und fort he better times ertönte erstklassiger Oi!-Punk über das Infield in Richtung Weser.

Mit dem langersehnten Auftritt von Doro Pesch auf dem Paddy Rock Open Air endete das Festival in Halvestorf. Über 3000 Fans feierten 3 Tage lang vor den 2 Bühnen die Bands aus den Bereichen Metal, Folk und Punk. Zu jeder Zeit war alles komplett durchmischt, auch die Fans. Es war spannend zu sehen ob sich die Anhänger der verschiedenen Musikgenres verstehen würden, ist ja tatsächlich eine berechtigte Frage. Oi!, Ska, Punk, Folk und Metal sind halt in allem sehr unterschiedlich, es ist aber alles sehr friedlich und fair geblieben. Vielen Dank auch an den Sicherheits- und Sanitätsdienst, ebenso an die örtliche Feuerwehr. Über 200 Dienststunden mussten alleine für die Brandsicherheitswache geleistet werden, ohne diese dürfte allerdings auch keine Veranstaltung dieser Größenordnung stattfinden.

Schade war es, dass aus bekannten Gründen die Band Hämatom nicht auftreten konnte. Für uns wären sie der absolute Headliner des Festivals gewesen. Wir wünschen der Band alles Gute und hoffen das sie ihren Weg finden werden, wie auch immer dieser aussehen mag. Erst vor 4 Jahren erschien auf ihrem Album Maskenball der Song Wir sind keine Band, die Textzeile "Wir sind keine Band, Wir sind eine Familie" sagt so vieles über den Zusammenhalt der Band aus. Wie kann man bei einer vierköpfigen Band, die nach den 4 Himmelsrichtungen benannt sind, einen Freund, ein Familienmitglied ersetzen? Schon das Wort fühlt sich falsch an. Niemand könnte West ersetzen und für jeden anderen Musiker wird es sehr schwer in seine Fußstapfen zu treten.

Die Veranstalter des Paddy Rock Openair zeigten sich ganz zufrieden mit dem ersten Festival ihrer Veranstaltungsreihe an dem neuen Ort. Natürlich hätten es vielleicht mehr Besucher sein können, aber erstens war das Wetter, vor allem am Freitag, nicht so gut, um spontan entschlossene Besucher anzulocken und zweitens muss die Veranstaltung sich erst einmal etablieren. Uns hat es in allen Punkten sehr gut gefallen, die Wege waren kurz, das Infield übersichtlich aufgebaut, es gab genügend Toiletten, vielfältige Gastrostände und auch der Campground sah wirklich vernünftig aus.



Wir sagen Danke für die tolle Zeit und hoffen auf ein baldiges Wiedersehen mit Irish Folk, Punk und Metal in Hameln-Pyrmont! Hier geht es zu unserer großen Fotogalerie.

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Bilder: Jerome Jakob
Text: Maren Jakob
Veröffentlicht: 29.08.2023