Autumn Moon Festival 2019
65 Bands spielten im Schatten des HerbstmondesSchon jeher übte der Mond in seiner vollen Pracht eine ganz besondere Faszination auf die Menschen auf der Erde aus. Vollmondnächte besitzen eine außerordentliche Mystik, weshalb sie sich zur Ausführung von magischen Ritualen und Orakelbefragungen bestens eignen. Druiden, Hexen und Schamanen bevorzugten schon in alter Zeit den Vollmond für ihre Zeremonien. Während der volle Mond am Himmel steht, sollen sich die magischen Kräfte besonders intensivieren. Das silberne Licht des Mondes umhüllt die Erde mit einem geheimnisvollen Schleier. Die Dächer, die das Mondlicht widerspiegeln, erscheinen in einem weißlichen Licht. Kein Wunder, dass die Menschen so manche Legende mit dem Vollmond in Verbindung bringen. So mutieren Menschen nur in Vollmondnächten zu Werwölfen und auch Vampire ziehen den Mond, in seiner vollen Pracht, den Strahlen der Sonne vor. Und in diesem Zauber fand vom 18.-20.Oktober 2019 zum 5. Mal das Indiefestival Autumn Moon am Ufer der Weser statt.
Während des gesamten Festivalwochenendes verband der frei zugängliche Mystic-Halloween-Market die Bühnen der Rattenfängerhalle, Schiff-Stage, Moon-Stage und der Sumpfblume. 65 Bands und mehr als 25 weitere Künstler aus 18 Nationen haben die Bühnen des Autumn Moon und den Mystic-Halloween-Market zu etwas ganz Besonderem gemacht und die Besucher begeistert. Das Autumn Moon bot die perfekte Gelegenheit um sich schon mal auf Halloween vorzubereiten. Als gruselige Einstimmung hierauf verband das Autumn Moon alle Aspekte des Gothic. Die Outdoor Stages, die sich auf dem Mystic-Halloween-Market befanden, luden während der 2 Tage zu mittelalterlichen Konzerten, Akustikgesängen, Feuershows, Workshops, Ausstellungen und Lesungen ein. Auf diesem besonderen Mittelaltermarkt gab es typisch mittelalterliche Speisen und Tränke wie zum Beispiel Stockbrot, Fleischspieße, Tee, Kaffee, Met und selbstgebrannte Liköre. Ansonsten gab es noch Crêpes, Kartoffel-Goldlocken und Bratwurst. Positiv registriert und angenommen wurde das Angebot an veganen Speisen. Zum weiteren Angebot des Mystic-Halloween-Market gehörte der Verkauf von handgemachtem Schmuck, mittelalterlicher Kleidung, Bildermalerei und diverse Halloween Deko- und Kostümartikel. Die vielen Darsteller in mittelalterlichen Gewändern haben zur detailreichen und stimmungsvollen Aufmachung des Marktes beigetragen. Abends konnte man sich an den aufgebauten Feuerstellen wärmen, während die Bäume in herbstlichen Farben iluminiert wurden. Auf diesem Markt und dem ganzen Festival ging es viel um Gemeinschaft und Nachhaltigkeit, was auch durch regionale Speisen und Zutaten bewiesen wurde.
Die Jubiläumsausgabe des Autumn Moon bot ein noch größeres Vergnügen in der mystischen Finsternis und übertrumpfte sogar noch die letzten Ausgaben des Gothic- und Metalfestivals in der einzigartigen Umgebung. Auf dem Line-up des Spektakels standen etablierte Künstler aus Gothic-Rock, elektronischer Musik und vielem mehr, die mit sanften Klängen, aber auch mit harten Elektroniksounds die Fans zum Tanzen brachten. Die Macher des Autumn Moon setzten bei der Zusammenstellung hierbei auch auf aufregende neue Acts, also konnte man unter anderem die ein oder andere Neuentdeckung machen. Die Zusammenstellung reflektierte dabei ganz gut die Gesamtatmosphäre des Festivals. Das Autumn Moon Festival bot das Beste der Szene in einer Jahreszeit, in der die meisten anderen Festivals schon im Winterschlaf sind.
Nur kurze Zeit vor dem Autumn Moon hat leider der Headliner SÓLSTAFIR seinen Gig abgesagt, doch mit Lord of the Lost konnte adäquater Ersatz gefunden werden. Zur Absage von SÓLSTAFIR kam es, da den isländischen Post-Metallern eine große Chance in den USA in die Quere gekommen sei, so formulierte es Sänger und Gitarrist Aðalbjörn Tryggvason in einer Videobotschaft, weshalb die Band ihren Gig auf dem Hamelner Festival nicht wahrnehmen konnte.
Das dieses Jahr die Hamburger Dark-Rock-Band Lord of the Lost in ihrem 10-jährigen Jubiläumsjahr das Autumn Moon bereichert haben, war wirklich ein Glücksfall, denn in Sachen Rock und Metal kommt aktuell niemand an Lord of the Lost um Sänger und Frontman Chris Harms vorbei. Es wurde eine atemberaubende Show versprochen, dieses Versprechen wurde gehalten. Die Band füllte die Rattenfängerhalle und es wurde am Abend des ersten Festivaltages ordentlich gefeiert.
Freitagabend nach dem Auftritt von Lord of the Lost gab es in der Rattenfängerhalle ein besonderes und öffentliches Meet&Greet mit verschiedenen Bands, ganz nach dem Credo des Festivals „Künstler hautnah erleben“. Unter anderem waren Corlyx, The Dark, God Module, This Can Hurt, Frozen Plasma, Krayenzeit, Rroyce, Vlad in Tears, microClocks und Lord of the Lost, die die meisten Fans an ihrem Tisch versammelten, mit dabei.
Ein weiterer Hochkaräter des Autumn Moon war mit Project Pitchfork eine der einflussreichsten Bands des Dark Electro. Sie sind in ihrer über 25 jährigen Bandgeschichte immer noch große Ideengebern des Genres. Eine Legende gab sich die Ehre und begeisterte die Fans des Autumn Moon mit einer Mischung aus unüberwindbarem Electro, Melancholie und apokalyptischer Epik.
Ansonsten waren noch Coma Alliance und Heilung anwesend. Die deutsch-dänisch-norwegische Nordic-Ritual-Folk-Band Heilung trat am Samstagabend ab 20:45 Uhr in der Rattenfängerhalle auf. Erst 2014 gegründet und mit gerade einmal 2 Alben ist sich die Szene jetzt schon sicher, dass mit Heilung eine Legende geboren ist. Die Texte sind in alten Sprachen bis hin zu norwegischen Dialekten der Eisenzeit geschrieben. Als Instrumente dienen meist Gegenstände, die den Menschen auch in der Eisenzeit bereits zur Verfügung gestanden haben, wie beispielsweise Trommeln, Knochen oder Speere. Aufwendig gestaltete Kostüme der Wikinger und anderer eurasischer Völkerschaften – Heilung scheut keinen Aufwand und keine Mühen in der grandiosen Bühnenperformance. Der weibliche Gesang von Maria Franz wirkt ätherisch, während der Kehlkopfgesang von Uwe Faust an die tibetische bzw. mongolische Gesangsweise erinnert. Doch der Name „Heilung“ ist auch Programm: Die Musik der Band soll Trancezustände hervorrufen und mit Meditation in Kontakt zum Inneren treten. In dem ersten Moment ist man vielleicht etwas irritiert von der Musik, aber es ist absolut besonders und einfach nur ein grandioses Schauspiel.
Neben Goethes Erben mit ihrem „Musiktheater“, die deutsche Electro-Pop-Band Frozen Plasma, die Dark-Rock-Band Unzucht und das elektronisch-sinfonische Musikprojekt Das Ich, das in den frühen 1990er Jahren zu den Hauptvertretern der Neuen Deutschen Todeskunst zählte, sind noch viele weitere hochkarätige Acts auf dem diesjährigen Autumn Moon aufgetreten.
Mit der Gothrock Band Merciful Nuns, die am Freitagabend ab 19 Uhr in der Rattenfängerhalle auftraten, konnte ein berührender Abschied gefeiert werden, denn nach eigener Aussage der Band, handelte es sich um ihr allerletztes Konzert.
Bei so vielen interessanten Bands, teilweise richtigen Szenegrößen, teilweise unbekannteren Newcomern, fiel es schwer zu entscheiden, welche Bands man sich anschauen wollte, da kam es auf die richtige zeitliche Staffelung an.
Abseits der großen Bands auf der Bühne der Rattenfängerhalle sind mir persönlich vor allem zwei Bands besonders im Gedächtnis geblieben, die auch jeweils „nur“ am Nachmittag gespielt haben. Das waren am Freitag ab 16:30 Uhr die 6 Nordmänner von Forgotten North in der Sumpfblume. Regionale Geschichten und Mythen, verpackt in Rocksound mit klaren Folkeinflüssen, mitreißend und melodisch, nie wirklich übertrieben oder aufgesetzt und den Kurs klar gen Norden gerichtet. Bei ihren Auftritten lassen sich die Schleswig-Holsteiner auch optisch nicht lumpen, mit ihrer detailreichen phantastischen Nordmann-Gewandung, bewaffnet mit Axt und Schwert.
Als zweite Band und eines meiner persönlichen Highlights des Festivals, traten am Samstag Snow White Blood ab 16 Uhr auf der Bühne der Moon-Stage auf. Das außergewöhnliche Konzept der Band verbindet die imposante Klangvielfalt des Symphonic Metal mit der Märchenwelt, unter anderem der Gebrüder Grimm, aus längst vergangenen Zeiten. Und welcher Song würde besser auf das Hamelner Autumn Moon passen als Hamelin aus ihrer Debüt EP Once upon a fearytale. In dem Song geht es um die Rattenfängersage, in der nach der Beseitigung der städtischen Rattenplage die Entlohnung des Rattenfängers nicht stattfand und er als Rache alle Kinder der Stadt entführte.
Eine Fortsetzung des schwarzen Spektakels gibt es natürlich auch im nächsten Jahr, vom 23.-25.Oktober 2020. Lasst uns gespannt sein, was die Organisatoren und das Team rings um Dominik Wrhel für das nächste Jahr planen und vor allem, welche Bands das Line-Up 2020 füllen werden.
Eine ausgiebige Fotogalerie vom diesjährigen Autumn Moon findet ihr hier.
Bilder: Jerome Jakob
Text: Maren Weibke
Veröffentlicht: 07.11.2019